Sergej Lukianenko

WÄCHTER DES ZWIELICHTS

„Dusk Watch“, 2004, deutsche Erstausgabe, aus dem Russischen von Christiane Pöhlmann, Heyne TB 53198, 2006, 479 Seiten, 13,00 EUR.
Coverzeichnung: Dirk Schulz.



Sergej Lukianenko


WÄCHTER DER EWIGKEIT

„The Last Watch“, 2006, deutsche Erstausgabe, aus dem Russischen von Christiane Pöhlmann, Heyne TB 52255, 2007, 446 Seiten, 13,00 EUR.
Coverzeichnung: Dirk Schulz.

WÄCHTER DES ZWIELICHTS und WÄCHTER DER EWIGKEIT sind der dritte und der vierte Band um die magisch begabten „Anderen“, die unentdeckt von Menschen leben, sich in die „Lichten“ und in die „Dunklen“ unterteilen und sich gegenseitig überwachen, damit das Machtgleichgewicht zwischen ihnen nicht gestört wird (über ihnen thront zudem die „Inquisition“). Als russischer Autor siedelte Lukianenko die WÄCHTER-Romane bislang überwiegend in seiner Heimat an; in der Regel agierten die Moskauer Wachen, die Nacht- (Lichte) und die Tagwache (Dunkle), gegeneinander.
Wie auch die beiden vorangegangene Romane enthalten WÄCHTER DES ZWIELICHTS und WÄCHTER DER EWIGKEIT jeweils drei Episoden. Die Geschehnisse werden aus der Sicht Anton Gorodezkis erzählt, einem inzwischen hohen Magier der Moskauer Nachtwache.
WÄCHTER DES ZWIELICHTS beginnt mit „Niemandszeit“. Die Moskauer Wachen werden darüber informiert, dass sich ein Mensch einem Anderen das Versprechen abgenommen hat, ihn auch zu einem Anderen zu machen (was nur bei bereits magisch begabten Menschen möglich ist) und die Einlösung fordert. Anton Gorodezki soll den Anderen finden und erlebt eine Überraschung. In „Niemandsraum“ trifft Gorodezki im Moskauer Umland auf eine mächtige Hexe Arina, die die letzten Jahrzehnte schlafend verbracht hat. Als er ihr Geheimnis lüftet, nimmt sie Antons Tochter als Geisel, woraufhin auch seine magisch noch mächtigere Frau eingreift. „Niemandskraft“ beginnt mit einem Mord an einem Inquisitor in dem Haus der Hexe. Es stellt sich heraus, dass Arina im Besitz des Buches FUARAN war, dass Aufzeichnungen über magische Experimente enthält, u. a. auch darüber, einen Menschen zu einem Anderen zu machen. Die Suche nach dem Buch führt zu der Enttarnung eines Verräters, der jedoch nach Baikonur fliehen kann.
In WÄCHTER DER EWIGKEIT verlassen der Autor und Anton Gorodezki zum ersten Mal Kontinentaleuropa. In „Die gemeinsame Sache“ wird in Edinburgh wird ein junger Mann umgebracht; die Umstände seines Todes deuten auf einen Vampir als Täter hin. Gorodezki entdeckt schnell, das sich mehr dahinter verbirgt. Der Ort des Mordes hat eine magische Bedeutung; Anton Edinburgher Kollege Foma Lermont offenbart ihm einen Zusammenhang zu den Artefakten des Magiers Merlin (sic!), die sich in den tieferen Schichten des Zwielichts (der Welten neben oder unter der realen) verbergen. In „Der gemeinsame Feind“ sucht Gorodezki in der Mongolei den Magier Rustam, um von ihm Informationen über die Artefakte Merlins zu erhalten und begegnet dabei ähnlichen Schwierigkeiten wie bei seinen Ermittlungen in Edinburgh (physische Attentate und magische Attacken). Erst in „Das gemeinsame Schicksal“ gelingt es Anton Gorodezki, die Identität und das Motiv der Verschwörer komplett zu lüften: Sie suchen den Zugang zu den tieferen Schichten des Zwielichts, in denen die verstorbenen Anderen weiterexistieren.
Die Auseinandersetzungen zwischen den Lichten und den Dunklen treten in WÄCHTER DES ZWIELICHTS und WÄCHTER DER EWIGKEIT in den Hintergrund, finden lediglich noch in den Dialogen wieder, ansonsten arbeiten die Magier gegen neue Feinde zusammen. Auch beruhen die Geschehnisse nicht mehr ausschließlich auf den Intrigen der Chefs der Moskauer Nacht- und Tagwachen gegeneinander. Diese Entwicklung ist nur konsequent. Bereits in den vorangegangenen Romanen WÄCHTER DER NACHT (Heyne TB 53080) und WÄCHTER DES TAGES (Heyne TB 53200) waren die lichten und die dunklen Magier ambivalent dargestellt worden. Vermutlich betrachtete der Autor das Konfliktpotential als ausgeschöpft, so dass es nahe lag, gemeinsame Gegner der Nacht- und der Tagwachen zu erschaffen. Das ist einerseits ein bekanntes Sujet, andererseits erweitert Lukianenko sein WÄCHTER-Universum damit aber auch inhaltlich: in WÄCHTER DES ZWIELICHTS um die Transformierung von Menschen in Andere, in WÄCHTER DER EWIGKEIT um den Zugang zu den verstorbenen Anderen. Dabei werden auch die Motive der Verschwörer ambivalent dargestellt, die nicht nur aus Machtstreben bestehen.
Kennzeichnend für die WÄCHTER-Romane ist, dass sich der Autor zwar bekannter Motive der Fantasy und des Horrors bedient, diese aber schnörkellos und erfrischend zu kombinieren versteht. Das gilt auch für WÄCHTER DES ZWIELICHTS und WÄCHTER DER EWIGKEIT; der Kontext der drei Episoden in den Romane ist außerdem dichter als in den Bänden zuvor. Freilich, dass Lukianenko in WÄCHTER DER EWIGKEIT auf Merlin zurückgriff, mutet durchaus etwas plump an, zumal eine ironisch-distanzierende Darstellung der Figur fehlt. Ein Versuch, den neuen WÄCHTER-Roman für den westlichen Markt kompatibler zu machen?!
Alles in allem sind WÄCHTER DES ZWIELICHTS und WÄCHTER DER EWIGKEIT gelungene Fortsetzungen der WÄCHTER-Reihe. WÄCHTER DES ZWIELICHTS schneidet im direkten Vergleich jedoch besser ab und ist zusammen mit dem zweiten Roman WÄCHTER DES TAGES (der u. a. durch die Variationen in der Wahl der Charaktere bestach, die in den vorliegenden Romanen in vergleichbarer Ausprägung fehlt, die eher Protagonisten-Recycling betreiben) der beste Band der WÄCHTER-Reihe.

 

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