Die Frage nach der Kompetenz fannischer Rezensenten stellt sich kaum. Jegliche journalistische und/oder literaturwissenschaftliche Maßstäbe sind völlig fehl am Platz: Wir investieren Zeit und Geld in Bücher, Filme und Platten und sind deshalb berechtigt, sie zu kritisieren. Es kommt nur darauf an, daß der fannische Rezensent eine eigene Meinung hat und sie halbwegs zu begründen vermag.
Aber bereits bei dieser Art von Besprechungen zeigt sich eine gewisse Aasgeiermentalität. Auch wenn eine Rezension über einen Roman oder einen Film bereits einen Schritt aus dem reinen Konsumentendasein heraus darstellt, beruht die Arbeit des fannischen Rezensenten auf einem bereits vorhandenen Werk. Er baut seine Gedanken (so gut wie möglich) darauf auf, seine Besprechung ist die zweite Stufe der Kreativität, die Reflektion, aber nicht die Schaffung eines neuen Werkes. Andererseits haben auch viele fannische Kurzgeschichten nur einen kreativen Charakterzug, und zwar den, daß sie überhaupt geschrieben werden, während sie ansonsten nur Uraltideen miserabel darbieten.
Mit einer Buch- oder Filmrezension schlägt der fannische Rezensent zwei Fliegen mit einer Klappe: Er liest sein Lieblingsbuch oder sieht seinen Lieblingsfilm und kann die Gelegenheit nutzen, in irgendeinem Fanzine mit einem Beitrag, seiner Rezension nämlich, vertreten zu sein. Ja, und wenn es dann auch noch kostenlose Rezensionsexemplare gibt, ist das Glück dieser Art von Aasgeiern perfekt.
Buchbesprechungen tun niemanden weh. Wer wird schon einen rhetorischen Aufstand veranstalten, weil er meint, sein Lieblingsautor oder seine Lieblingsautorin wäre in einer Rezension herabgewürdigt worden?! Nein, die Art von Besprechungen, mit denen man sich offenbar wenig Freunde macht, sind die Fanzinerezensionen. Ich muß aber einräumen, daß sich die wirklich erbosten und aggressiven Reaktionen, die ich bislang auf Verrisse im FANZINE-KURIER erhalten habe, in Grenzen hielten.
Für Fanzine- gilt grundsätzlich dasselbe wie für Buchbesprechungen: Auch bei den Fanzinerezensionen benötigt der fannische Rezensent erst einmal eine Arbeit - das Fanzine also -, auf der er seine Gedanken aufbauen kann. Besonders pikant wird diese Angelegenheit dadurch, daß das Werk, das er bespricht und worauf er aufbaut, von seinesgleichen stammt. Der fannische Rezensent lebt von der Kreativität anderer, indem er sie zerpflückt. Und aus diesen Aspekten kann man den Schluß ziehen, daß die Besprechung eines Fanzines tunlichst zu unterbleiben oder ausschließlich positiv zu erfolgen habe.
Es macht für einen fannischen Rezensenten mehr Sinn, sich mit den Produktionen seiner Mitfandomler zu beschäftigen als mit Romanen und Filme, von deren Urhebern, Verlegern und Verleihern er durch Abgründe getrennt ist und die sich für seine Meinung auch keinen Deut interessieren. Diese Überlegung war es auch, die mich vor etwa neun Jahren damit beginnen ließ, Fanzinerezensionen zu publizieren. Seinerzeit druckten die größeren Fanzines durchweg Buchbesprechungen ab, doch den Fanzines widmeten sie sich kaum, woran sich bis heute nur wenig geändert hat.
Heute sehe ich den FANZINE-KURIER auch als Pendant zu den Fanzine-Bibliographien diverser Info- und Clubzines an, denn der FK ist weiterhin das einzige Zine, das seinen Verwandten, den Fanzines, das Ausmaß an Beachtung zukommen läßt, das ansonsten nur professionelle Produkte erfahren. Dabei drängt sich mir die Frage auf, ob die Redakteure jener Fanzine-Bibliographien, die meinen, in Monatsabständen mitunter mehrere Dutzend Fanzines zu lesen und adäquat "besprechen" oder "kommentieren" zu können, die wahren Aasgeier des Fandoms sind...?!
Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, daß die Rezensenten des FANZINE-KURIER - und alle anderen Fandomlerinnen und Fandomler, die ebenfalls Fanzinerezensionen schreiben - auch zu negativen Wertungen über die besprochenen Fanzines berechtigt sind. Sie mögen zwar keine oder nur geringe finanzielle Aufwendungen für den Erwerb der Fanzines haben, sie investieren in ihre Lektüre aber (auch) ein gewisses Maß ihrer Zeit. Das Argument, die besprochenen Fanzines stammen ebenfalls von Fans, von Amateuren, überzeugt nicht, da es anderenfalls zum Verzicht auf eine eigene Meinung führen würde.
Mit einer Besprechung bekommen Fanzineherausgeber und Mitarbeiter auch, worauf sie im Normalfall einen gewissen Wert legen: Reaktionen und Werbung. (Hin und wieder habe ich allerdings den Eindruck, daß manche Herausgeber ihre Hefte dem FANZINE-KURIER nur deshalb zur Besprechung zur Verfügung stellen, damit sie wenigstens eine ausführliche Reaktion bekommen...). Wer nicht will, daß seine Arbeiten kritisiert werden (wie offenbar manche Herausgeber aus dem Splatterfandom), der sollte sie nicht publizieren. Oder anders und überspitzt ausgedrückt: Wer sich ins Fandom begibt, kommt darin um.
Ebenso selbstverständlich ist aber auch, daß an Fanzines nicht dieselben (strengen) Maßstäbe wie an professionelle Produkte angelegt werden können. Mit einem grundsätzlichen Wohlwollen sollte den Fanzines schon begegnet werden - wer als "Fanzine-Bibliograph" anderer Ansicht ist, hat den fannischen Beruf verfehlt. Freilich können die Ansprüche und Intentionen eines Herausgebers nicht alleiniger Maßstab sein, denn anderenfalls könnte der Herausgeber die Rezension seines Zines genausogut selbst schreiben.
Abgesehen von einigen grundsätzlichen Position (z. B. der Ablehnung von Splattermachwerken) bin ich darum bemüht, Fanzines und ihre Beiträge an meinen eigenen Fähigkeiten zu messen. Zeichnen kann ich nicht, weshalb ich Grafikerinnen und Grafikern mit einer gewissen Bewunderung begegne; ich bilde mir allerdings ein, mittelprächtige primär- und sekundärliterarische Beiträge verfassen zu können. Mancher fannische Rezensent wird sich auf dieser Grundlage sicherlich höhere Maßstäbe erlauben können, die er auch bei "Neo-Zines" nicht zurückschrauben muß, denn es wäre für ihn ein Rückschritt, wenn er die Arbeiten, die er vielleicht als "Neo" produziert hat, auch heute noch als Maßstab nehmen müßte.
Es spricht also nichts gegen eine Existenz als Aasgeier. Im Gegenteil, in mancher Hinsicht ist das sogar eine ehrenhafte, notwendige und sowohl objektiv wie subjektiv zu rechtfertigende fannische Profession. Freilich, etwas von einem Aasgeier bleibt an jedem fannischen Rezensenten haften, was ihn allerdings nicht stören muß.