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              Jasper Fforde IM 
                BRUNNEN DER MANUSKRIPE    
              „The 
                Well of Lost Plots“, 2003, deutsche Erstausgabe, aus dem 
                Englischen von Joachim Stern, dtv Paperback 24464, 2005, 432 Seiten, 
                15,00 EUR.Coverzeichnung: N. N.
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        BRUNNEN DER MANUSKRIPTE ist der dritte in Deutschland veröffentlichte 
        Roman des walisischen Autor Jasper Fforde – und auch dritte mit 
        seiner Protagonistin Thursday Next. In den Kategorien der SF würden 
        die Bände zu den Parallelweltromanen zählen: Deutschland hat 
        im Zweiten Weltkrieg England besetzt und später geräumt, der 
        Krimkrieg dauert noch an (auch wenn selten gekämpft wird, doch wenn 
        das der Fall ist, mit verheerenden Ergebnissen), Zeitreisen sind möglich, 
        England ist Republik und steht unter dem massiven Einfluss des Goliath-Konzerns, 
        Wales dagegen unabhängig. Und, vor allem, die Bedeutung der Literatur 
        ist eine völlig andere als in unserer Welt.Die etwa fünfunddreißigjährige Thursday Next wird nach 
        ihrer Rückkehr aus dem Krimkrieg Agentin bei SpecOps, und zwar bei 
        der Abteilung 27, den Literaturagenten, deren Aufgabe es ist, Manuskriptfälschungen 
        zu entlarven sowie Diebstähle von und Änderungen in Originalmanuskripten 
        zu verhindern. In dem ersten Band, DER FALL JANE EYRE, legt Thursday sowohl 
        dem Verbrecher Acheron Hades als auch dem Goliath-Konzern das Handwerk 
        und gibt dem Klassiker JANE EYRE von Charlotte Bronté ein neues 
        Ende – Thursday ist in der Lage, in Romane einzudringen und dort 
        zu agieren.
 Im zweiten Band, IN EINEM ANDEREN BUCH, wird Thursday sowohl von der Chronogarde 
        (den Zeitreisenden also) als auch von dem Goliath-Konzern verfolgt. Sie 
        muss die Nichtung ihres Ehemannes miterleben (seine Auslöschung durch 
        Manipulation der Historie) und gerät in das Visier der Jurisfiktion, 
        einer Organisation ähnlich der SpecOps, deren Ziel es ebenfalls ist, 
        Änderungen in Romanen zu verhindern, die jedoch von der Großen 
        Bibliothek aus operiert. Die Große Bibliothek enthält sämtliche 
        Romane, die jemals publiziert wurden, und die Agenten der Jurisfiktion 
        rekrutieren sich – überwiegend jedenfalls – aus ihren 
        Protagonisten. Thursday rettet die Welt und entgeht ihren Häschern 
        durch das Figurenaustauschprogramm: Sie zieht sich in einen viertklassigen 
        Krimi zurück, der im Brunnen der Manuskripte auf seine Veröffentlichung 
        wartet.
 Im Brunnen der Manuskripte entstehen die Romane – ihre Autoren meinen 
        nur, dass sie die Texte selbst schreiben... Dort sind Plotschmiede, Stimmungsmischer, 
        Lochflicker, Echofinder, Orthografieprüfer am Werk und Romanfiguren, 
        Handlungselemente, Rohlinge, Parasiten u. a. m. anzutreffen. Als unbrauchbar 
        befundene Romane werden dort auch verschrottet. Zu den Agenten der Jurisfiktion 
        gesellen sich in IM BRUNNEN DER MANUSKRIPTE die Protagonisten der Romane 
        in der Großen Bibliothek. Thursday gelingt es nicht nur, Aornis 
        Hades auszuschalten, die Schwester von Acheron, die sich für seinen 
        Tod an Thursday rächen will und ihr Gedächtnis manipuliert, 
        sondern auch, eine Verschwörung gegen die BuchWelt zu vereiteln, 
        die mit einem neuen (Lese-) Betriebssystem – UltraWordTM – 
        erfolgen soll.
 IM BRUNNEN DER MANUSKRIPTE enthält wie die zwei vorangegangenen Romane 
        eine Unmenge von literarischen Anspielungen, in die der Autor nun auch 
        die Handlungsschauplätze einbezieht, amüsanten Figuren, Sujets 
        und Dialogen. An den Ideenreichtum von IN EINEM ANDEREN BUCH reicht der 
        Roman allerdings nicht heran. Auch bedient sich Fforde erneut einer Deux 
        ex machina, um seine Protagonistin am Ende des Romans aus einer ausweglosen 
        Situation zu retten, aber nicht mit derselben Eleganz wie IN EINEM ANDEREN 
        BUCH. Die Vorstellung, dass die Lektüre von Romanen nur mittels „Betriebssystemen“ 
        möglich sein soll, wirkt außerdem etwas befremdlich, allerdings 
        würde der Plot ohne sie nicht funktionieren und völlig unsinnig 
        ist dieses Konzept zugegebenermaßen nicht. Aber diese Terminologie 
        passt nun einmal nicht zu Büchern.
 Ein direkter Vergleich zwischen IM BRUNNEN DER MANUSKRIPTE, IN EINEM ANDEREN 
        BUCH und DER FALL JANE EYRE ist schwierig. Die Romane sind zwar in sich 
        abgeschlossen, aber diverse Handlungsstränge werden in den Folgebänden 
        fortgeführt, und einige Details werden nicht völlig verständlich, 
        wenn die drei Romane nicht handlungschronologisch gelesen werden oder 
        sich die Lektüre nur auf einen von ihnen beschränkt. Das Konzept 
        der Romane ist vermutlich einmalig in der phantastischen Literatur, sie 
        sind nonchalant geschrieben, der Ideenreichtum des Autors ist bemerkenswert, 
        die Handlungsabläufe sind dagegen teilweise sehr konventionell. – 
        Der vierte und vermutlich wohl letzte Band der Thursday Next-Reihe, ES 
        IST WAS FAUL (SOMETHING ROTTEN), ist derzeit noch im (deutschen) Brunnen 
        der Manuskripte in Arbeit, soll aber im Oktober bei dtv erscheinen. Thursday 
        Next wird außerhalb der BuchWelt noch einiges erledigen müssen..
     
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